Würde

Ich habe vergangene Woche das Buch „Würde“ von Gerald Hüther gelesen. Herr Hüther beschreibt in seinem Buch, dass wir alle von Anfang mit einem inneren Kompass ausgestattet sind, einer Art Sensibilität, mit der wir unrechtes Verhalten uns gegenüber identifizieren können. In Kombination mit dem Film „In stürmischen Zeiten“, in dem ein kleines, ungefähr fünf Jahre altes jüdisches Mädchen aus Russland allein nach England verschifft wird und ich mich die ganze Zeit gefragt habe, wie es möglich ist, dass Kinder scheinbar den Ernst einer bedrohlichen Situation erfassen und sich dementsprechend unauffällig und mutig verhalten, erlebte ich einen Aha-Effekt. Der innere Kompass hilft uns also von Anfang an, Recht und Unrecht unterscheiden zu können. Hüther schreibt, dass Menschen, die überwiegend würdeloser Behandlung ausgesetzt sind, meistens auch andere würdelos behandeln, einfach, weil sie würdevolle Behandlung nicht kennen. Leuchtet ein. Weiter schreibt Hüther, dass Menschen, die sich ihrer Würde bewusst sind, gar nicht mehr würdelos handeln können. In meiner pädagogischen Arbeit ist die Würde des einzelnen Kindes ein großes Thema, das mich immer wieder beschäftigt. Ebenso die Würde meiner Kollegen oder der Eltern. In Hüthers Buch kommen die Bildungseinrichtungen in Deutschland übrigens in Bezug darauf sehr schlecht weg. Zu selten wird die Würde des Einzelnen in den Fokus gerückt, meistens wird erzogen, gelehrt, geführt und die Bedürfnisse Einzelner spielen keine Rolle. Für mich passt eindeutig das Sprichwort „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“ zu diesem Thema. Mein persönlicher Albtraum ist, dass Kinder, die ich in meiner Gruppe hatte, erzählen, sie hätten eine furchtbare Erzieherin in mir erlebt. Das ist schon mal ein Qualitätskontrollpunkt für mich. Und mein Bauchgefühl, wie, warum und wann ich Kindern etwas zumuten kann oder nicht. Mein innerer Kompass. Meine Arbeit ist anspruchsvoller, wenn ich das Thema „Würde“ ernsthaft berücksichtige. Ich lese viele Beiträge unter anderem in unterschiedlichen Blogs und bin häufig schockiert über die Erlebnisse von Menschen, deren Würde missachtet wird. Denken wir an Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Und daran, wie oft man selber täglich dagegen verstößt oder man Opfer eines Verstoßes wird. Ich finde, man muss diese Vergehen identifizieren und immer wieder ansprechen, Menschen beistehen, die Opfer sind. Sich einmischen. Und bei sich selber einen Anfang machen, einen würdevollen Umgang mit allen Menschen zu pflegen, denen man im Laufe des Lebens begegnet!

Schönes, würdevolles Wochenende

1 Kommentar

  1. Würden nur alle ErzieherInnen so reflektieren, toller Beitrag! Alles Liebe, Rox

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