Gefühle sind ein besonderes Thema für mich. Im Laufe meines Lebens habe ich für mich gelernt, dass manche Emotionen „gut“ sind, andere „schlecht“. Die meisten Menschen werden von ihren Bezugspersonen dahingehend geprägt und lernen, mit ihren Emotionen an die jeweilige Umwelt angepasst umzugehen. Wir unterdrücken, zeigen, spielen Rollen, bremsen uns aus, beschimpfen uns selbst, benutzen, manipulieren… die Bandbreite unseres Repertoires, mit Gefühlen umzugehen, ist groß. Unter Umständen macht uns dieser Umgang auch langfristig unglücklich oder krank. Ich wurde manchmal gefragt, „wie fühlt es sich für dich an, wenn…“ und habe festgestellt, dass mein dazugehöriges Gefühl so verschüttet war, dass ich erst mal vermeintlich gar nichts gefühlt habe. In meiner täglichen pädagogischen Praxis mit kleinen Kindern bin ich bemüht, den Kindern einen Wortschatz für ihren Gefühlszustand mitzugeben. Kinder sind meistens gefühlsbetonter, authentischer und ungefilterter als Erwachsene, ihnen fehlt aber oft das richtige Wort zu ihrem Gefühl. Ich konnte feststellen, MIR AUCH! Sehr häufig greife ich auf einen sehr eingeschränkten Wortschatz im Bereich „Gefühle“ zurück, dabei spielen sie eine so große Rolle im Leben! Ich versuche, mich auf Spurensuche zu begeben, welche Emotion wird wodurch ausgelöst? Warum? Welche Erfahrung liegt möglicherweise zugrunde? Und ich kann mittlerweile aus meiner Erfahrung sagen, komische Emotionen haben bei mir immer etwas mit einem Erlebnis aus der Kindheit zu tun. Beschämung, Angst, Bloßgestellt sein, das sind unter anderem meine persönlichen Gefühlsbegleiter, die ich nie angemessen aufgearbeitet habe, die in meiner Kindheit keinen Platz haben durften oder es keine Benennung, kein Gespür dafür gab. Keinen Erwachsenen, der meinen Zustand in meine kindliche Sprache „übersetzt“ hat. Und dazu niemanden, der mir gesagt hat, dass der Zustand okay ist und wieder weg geht. Das Buch von Stefanie Stahl „Das Kind in dir muss Heimat finden“ hat mir geholfen, vieles einzuordnen, was ich nicht verstanden oder gar nicht wahrgenommen habe. Es lohnt sich, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen und sie kennenzulernen. Meine nächtlichen, unglaublich kraftraubenden Gedankenkarusselle sind mittlerweile äußerst selten geworden und ich persönlich glaube, das liegt an dieser Auseinandersetzung. Ich habe gelernt, wenn ein Gefühl hochkommt, zu diesem Gefühl in Gedanken „Hallo“ zu sagen, es zu fragen, was es bei mir erreichen will und dann für mich aktiv zu entscheiden, ob ich es annehme oder nicht. Der ruhige tiefe Atem unterstützt diese Arbeit gerade bei aufwühlenden Emotionen enorm. Im Rahmen der Krebsdiagnose empfand ich diesen Umgang und dieses Training besonders wertvoll, weil ich immer das Gefühl hatte, die jeweilige Angst ist nicht mehr diffus, sondern ganz konkret und ich kann mich mit konkreten Ängsten speziell stellen und Lösungen unterschiedlicher Art und Weise finden. Ich kann wieder aktiv sein und muss mich nicht ausgeliefert fühlen! In diesem Sinne, für heute alles Gute und einen schönen Abend!
Christine
